Fast ein Drittel der ausgegebenen Essensmenge landet in heimischen Spitälern in der Tonne. Das Klimaschutzministerium und die Stadt Wien zeigen anlässlich des Welttages gegen Lebensmittelverschwendung (29. September) anhand von Vorzeigebeispielen wie durch kluge Planung und Angebotsgestaltung dem Lebensmittelabfall erfolgreich der Kampf angesagt werden kann. Dabei wird besonders deutlich: Lebensmittelabfallvermeidung ist ökologisch und ökonomisch gleichermaßen sinnvoll.
Der entsorgte vermeidbare Lebensmittelabfall macht in Spitälern im Schnitt 31 % der ausgegebenen Essensmenge aus.[1] Rechnet man diesen von United Against Waste in 47 Häusern erhobenen Anteil auf alle 264 Krankenhäuser in Österreich hoch, so fallen pro Jahr rund 20.000 Tonnen Lebensmittelabfall an, was einem Warenwert von über 100 Millionen Euro entspricht.[2] Mit dieser Menge an Lebensmitteln könnte eine Stadt in der Größe von Tulln bis zu zwei Jahre lang ernährt werden.[3] Zudem sind Lebensmittelabfälle ein Klimatreiber, denn die CO2-Emissionen, die dadurch entstehen, entsprechen rund 99.000 Flügen von Wien nach Stockholm und retour. Angesichts gestiegener Einkaufspreise für Großküchen – um rund 41% in den letzten beiden Jahren[4] – liegt der durchschnittliche Warenverlust durch Lebensmittelabfall in österreichischen Krankenhäusern bei rund 421.000 Euro, also bei fast einer halben Million pro Jahr und Haus, abhängig von Größe und Struktur des Standorts.[5]
Österreich hat sich dem UN–Nachhaltigkeitsziel verpflichtet, vermeidbare Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Das Klimaschutzministerium und die Stadt Wien unterstützen daher Programme von „United Against Waste“, die Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie und Hotellerie bei der Reduktion von vermeidbaren Lebensmittelabfällen begleiten. „Lebensmittelverschwendung ist schlecht für die Umwelt und für unser Klima. Das Vermeiden von Lebensmittelabfällen und die Weitergabe von genussfähigen Lebensmitteln sind daher das Gebot der Stunde. Das hilft wertvolle natürlichen Ressourcen zu schonen und ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Deshalb sagen wir mit zahlreichen Initiativen der Lebensmittelverschwendung den Kampf an und ich freue mich, dass wir Jahr für Jahr mehr Lebensmittel vor der Tonne bewahren.“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
Lebensmittelabfallvermeidung in Krankenhäusern ist nicht einfach: Täglich werden tausende Patient:innen, aber auch Mitarbeiter:innen verpflegt. Das laufende Kommen und Gehen, Abwesenheiten durch Operationen und der unterschiedliche Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten machen die Verpflegungslogistik komplex. Von der Verwaltung und Einkauf, über Küche, Diätologie bis hin zu Stationspersonal sind unterschiedlichste Akteure und Akteurinnen in die Bestell- , Planungs- und Ausgabeprozesse in Spitälern involviert. Zudem sind strenge Hygienerichtlinien und diätologische Vorgaben einzuhalten, was die Abfallvermeidung erschwert. Wo die konkreten Ursachen von Lebensmittelabfällen und die größten Hebel zur Reduktion liegen, kann von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich sein. Zusammen mit der Initiative United Against Waste gehen Großküchenbetreiber den Ursachen auf den Grund. Als Ausgangslage dient ein regelmäßiges Abfallmonitoring, das einen Überblick über die monatlichen Lebensmittelabfallmengen gibt und einen österreichweiten Vergleich mit anderen Krankenhausstandorten ermöglicht. Zu den Partner:innen zählt auch die Vinzenz Gruppe mit dem Orthopädischen Spital Speising – dort werden täglich rund 1300 Essensportionen vom kulinario® Küchenteam gekocht. „In der Vinzenz Gruppe wird das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen und Unternehmensbereichen forciert. Durch die Kooperation mit United Against Waste setzen wir ein wichtiges Zeichen für eine gesunde und ressourcenschonende Zukunft.“, erzählt Michael Heinisch, Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe.
Karin Wohlfarter, die bei kulinario® für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig ist und an einer Food Waste Coach-Ausbildung von United Against Waste teilgenommen hat, berichtet über konkrete Maßnahmen und Erfolge bei der Reduktion von Lebensmittelabfällen: „Wir sind auf Ursachenforschung gegangen und haben bei unterschiedlichen Komponenten wie Salat, Milch, Gebäck oder Kompott die Tellerrückläufe genau erfasst. Auf Basis der Erkenntnisse wurden die Menüpläne und Rezepturen angepasst und einzelne Bestandteile, die häufig übrig geblieben sind, ersetzt. Beim Frühstück haben wir aufgrund des Rücklaufes festgestellt, dass die Milchportionen zu groß sind und haben diese entsprechend reduziert. Weiters sind wir dazu übergegangen das übrig gebliebene Brot z.B. in Form von Brösel weiterzuverarbeiten.“ Da ältere oder kranke Menschen mitunter weniger essen können oder wollen, wurden auch die Portionsgrößen unter die Lupe genommen. Um zu gewährleisten, dass nicht zu große oder unterschiedliche Mengen ausgegeben werden, wurden zudem die Schöpfwerkzeuge in der Küche optimiert. „Durch einen erhöhten Anteil pflanzlicher Kost haben wir außerdem die Umweltbilanz unserer Speisen verbessert und erfreulicherweise kommen die vegetarischen Menüs auch bei den Patient:innen und Mitarbeiter:innen sehr gut an.“, so Karin Wohlfarter über die Änderungsprozesse. Gleichzeitig wird durch geschickte Menüplanung ermöglicht, gesamte Lebensmittel zu verwenden, z.B. Gemüsereste für Suppenfonds oder auch Übermengen weiterzuverarbeiten wie Knödelteig aus übrigem Brot. Seit der Teilnahme am Monitoring, konnte der Verlustgrad im Orthopädischen Spital Speising so von 2018 auf 2022 um ein Viertel reduziert werden.[6] Auch die anderen drei kulinario®-Standorte in Wien, Linz und Ried schneiden bei der Verlustquote[7] im österreichweiten Vergleich 2022 aller Krankenhäuser besonders gut ab.[8] Der Standort Seilerstätte/Barmherzige Brüder Linz erreicht mit einem Verlustgrad von nur 13 % überhaupt den besten Wert in ganz Österreich. Die Zahlen zeigen, wie viel durch gezielte, manchmal auch nur kleine Stellschrauben angesichts der Größe eines Krankenhauses erreicht werden kann: An den vier kulinario-Krankenhausstandorten konnten die Lebensmittelabfälle zwischen 2018 und 2022 im Schnitt um 33 Prozent reduziert werden.
Die Reduktion von Lebensmittelabfällen ist auch dem Wiener Gesundheitsverbund ein Anliegen. Als größter Gesundheitsdienstleister Österreichs verpflegt er jährlich rund 228.000 Patient:innen stationär in acht Kliniken, neun Pflegehäusern und dem Therapiezentrum Ybbs sowie 30.000 Mitarbeiter:innen. Aktuell nehmen 15 Einrichtungen des Wiener Gesundheitsverbundes am regelmäßigen Abfallmonitoring von United Against Waste teil, um ihre Lebensmittelabfälle im Blick zu behalten. Die Klinik Hietzing und die Klinik Favoriten schneiden hinsichtlich des Verlustgrads im österreichweiten Monitoring besonders gut ab, nun sollen weitere Standorte deren Beispiel folgen. Ab Herbst werden deshalb rund 30 Mitarbeiter:innen des Wiener Gesundheitsverbundes zu Food Waste-Coaches ausgebildet, damit sich das Personal aus den Bereichen Küche, Einkauf, Verpflegungsmanagement oder Diätologie noch intensiver mit dem Thema Lebensmittelabfallvermeidung auseinandersetzen, durch Erfahrungsaustausch lernen und gemeinsam Lösungsansätze entwickeln kann. Als weitere Maßnahme sensibilisiert der Wiener Gesundheitsverbund mittels dem eLearning-Programm „Food Waste Hero“, das bereits für rund 100 Mitarbeiter:innen im Einsatz ist und einen kompakten Einblick zu Lebensmittelabfallvermeidung bietet.
Ein weiterer Ansatz die Wertschätzung von Lebensmitteln zu fördern, ist Bewusstseinsbildung, denn nicht nur Küchenbetrieben, sondern auch Patient:innen und Gästen kommt eine wichtige Rolle bei Lebensmittelabfallvermeidung zu: bewusstes Bestellen bzw. Abbestellen und eine klare Kommunikation erleichtern die Menüplanung. „Es ist wichtig, auch die Mitabeiter:innen und Patient:innen in die Bemühungen um Lebensmittlabfallvermeidung miteinzubeziehen. Denn egal ob beim Essen auswärts oder als Konsument:in zu Hause – jede:r von uns kann einen Beitrag leisten, damit weniger Lebensmittel in der Tonne landen. Deshalb unterstützt die Stadt Wien auch heuer die Aktionstage ,Nix übrig für Verschwendung‘, um auf einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln aufmerksam zu machen, an der sich 66 Wiener Großküchenstandorte beteiligen. Mit geförderten Abfallberatungen für Gastrobetriebe über OekoBusiness Wien oder Programme wie die Genussbox, sowie Projekte zur Schulverpflegung wollen wir Abfallvermeidung in Wien weiter vorantreiben.“, berichtet Stephan Auer-Stüger, Stv. Ausschuss-Vorsitzender für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal und Wiener Gemeinderat.
Österreichweit beteiligen sich 187 Großküchenstandorte an den Aktionstagen gegen Lebensmittelverschwendung. Nähere Infos auf www.nixübrig.at
Quellen:
[1] Ergebnisse basierend auf Zahlen von 181 teilnehmenden Großküchen in Österreich im MONEYTOR-Abfallmonitoring-Programm – United Against Waste Jahresauswertung 2022
[2] Quelle: United Against Waste MONEYTOR Jahres-Auswertung 2022 von 47 Krankenhäusern in Österreich & Hochrechnung durchschnittlicher Warenverlust auf alle 264 Krankenhäuser in Österreich
[3] Bei einem durchschnittlichen Ernährungsverbrauch von 638 kg pro Kopf und Jahr https://www.statistik.at/statistiken/land-und-forstwirtschaft/landwirtschaftliche-bilanzen/versorgungsbilanzen
[4] Quelle:United Against Waste: Vergleich durchschnittlicher Verlust des Warenwerts in der Gemeinschaftsverpflegung anhand der gewichteten Einkaufsdaten der „HOGAST“ 2021 und 2023
[5] Quelle: United Against Waste MONEYTOR Jahres-Auswertung 2022 von 47 Krankenhäusern in Österreich, mit durchschn. 29.272 ausgespeisten Portionen pro Monat
[6] United Against Waste MONEYTOR: Entwicklung Verlustquote von 31 Prozent (2018) auf 23 Prozent (2022) um 8 Prozentpunkte, entspricht einer Einsparung von 25,8 Prozent.
[7] Die Verlustquote ist das Verhältnis von ausgegebenem Essen und entsorgtem Lebensmittelabfall (ohne Zubereitungsreste).
[8] Basierend auf der Benchmarking-Auswertung jener Großküchenstandorte, die bereits seit mindestens drei Jahren am Abfallmonitoring von United Against Waste teilnehmen & Jahresreport 2022.